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Basel, 20. oder 21. Juli 1872

Mein lieber Freund,

da hast Du mir wieder einmal schöne Dinge geschrieben, in der Tat! Deine Rückreisen werden immer bedeutungsvoller. An dieses letzte Erlebnis anknüpfend berichte ich zuerst, was ich heute aus Zeitungen erfahre, dass Bülow wahrscheinlich Generalintendant in München wird - wohingegen Herr von Perfall die Stelle eines Oberzeremonienmeisters erhalten soll: Nachrichten glücklichster Natur, deren Kommentar Du Dir selbst geben wirst - falls sie nur wahr sind. Wir müssen also unsren Jubel noch etwas zurückhalten. Wären sie wahr - was von unseren Hoffnungen hinge nicht mit diesen Ereignissen zusammen!

Nun aber, lieber Freund! Vor allem erinnere ich Dich an Deine schöne freiwillige und mir damals wahrhaft erstaunliche Verheißung, dass Du im August wieder in München sein würdest. Vernimm nun: dass auch ich nicht widerstehen kann! Wir müssen wieder zusammen die Festwoche Lohengrin Holländer Tristan erleben und wollen diesmal, mit Weisheit uns auch den bildenden Künsten überlassen! Dies ist mein Plan.

Die Universität München feiert ja ihr Jubiläum; ich werde wohl, als einer der Vertreter von Basel, dabei erscheinen.

Ich bitte Dich recht von Herzen: Komm! Für die gütige Besorgung der beschwerlichen Versendung der Anzeigen herzlichen Dank, lieber Freund! Inzwischen reift Rohdes Gegenschrift: ihr wahrscheinlicher Titel, den ich aber geheim zu halten bitte, ist


Die Afterphilologie des Dr. Ulrich v. WilamowitzMöllendorff Sendschreiben eines Philologen an Richard Wagner


Es sind 2 Bogen im Druck, bei Fritzsch.

Morgen will ich an Frl.. von Meysenbug in Schwalbach schreiben. Meine Zeit verstreicht unter der Konzeption von schönen griechischen und zukunftsphilologischen Gedanken - das macht glücklich.

Empfiehl mich, ich bitte Dich, Deinen verehrten Angehörigen und verzeih, wenn ich heute kürzer bin. Um so länger will ich in München sein - ich denke wirklich mit Entzücken an das dritte Mal, den Tristan zu schlürfen! Es ist der gesündeste Trank, den ich kenne - ich kam so glücklichheiter in Basel an, wie ein Bräutigam.

Auf Wiedersehen, teurer, lieber Freund!

F. N.



               
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