Nietzsche ist ein Einzelgänger wider Willen. Sein ganzer Briefwechsel zeigt ihn "freundschaftsfähig, ja beinahe
freundschaftssüchtig" (Ross
1999), und er hat durchaus seine
Vorbilder.
Schon als Schüler und später als Student gründet er einen Verein (Germania und Philologischer Verein)
und ist auch eine Weile Mitglied der Burschenschaft Frankonia. Später träumt er von einem
"Kloster für freie Geister"
An seinen Studien- und Herzensfreund Erwin Rohde skizziert Nietzsche diesen
Plan bereits am 15. Dezember 1870: "Um dir zu zeigen, wie ernsthaft ich das meine, so habe ich bereits angefangen,
meine Bedürfnisse einzuschränken, um einen kleinen Rest von Vermögen mir noch zu bewahren. Auch wollen wir in
Lotterien
unser "Glück" versuchen Kurz jedes nicht unerlaubte Mittel wird benutzt, um uns äußerlich in
die Möglichkeit zu versetzen, unser Kloster zu gründen."
Nietzsche unterzeichnet den Brief mit "Dein getreuer Frater Friedericus". [Quelle: KSB 3,165] Sechs Jahre später,
am 24. September 1876, schreibt er an den neu gewonnenen Freund Reinhart von Seydlitz: "Sie gehen am 1. Oktober nach
Davos und ich, am gleichen Tag, nach Italien, um in Sorrent
meine Gesundheit wiederzufinden, im Zusammenleben mit meiner verehrten Freundin,
Fräulein von Meysenbug
ebenfalls begleiten mich ein Freund und ein Schüler dahin - wir alle haben ein Haus zusammen und alle höheren Interessen
überdies gemeinsam: es wird eine Art Kloster für freiere Geister.
wir bleiben ungefähr ein Jahr in Sorrent. Dann kehre ich nach Basel
zurück, es sei denn, dass ich irgendwo mein Kloster, ich meine "die Schule der Erzieher"
(wo diese sich selbst erziehen) in
höherem Stil aufbaue. [Quelle: KSB 5,188]
.
Da seine Freunde ihm auf seinem geistigen Weg aber nicht oder nur sehr bedingt folgen, spricht er oft von seinen
"sogenannten Freunden"; in dem Gedicht
Aus hohen Bergen (Nachgesang in Jenseits von Gut und Böse)
spricht er von "Freunds-Gespenstern" und sagt: "Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt".
Er selbst nennt sich da ein "Gespenst, das über Gletscher geht", was Nietzsches Jugendfreund Erwin Rohde im Bericht von
ihrer
letzten Begegnung 1886
Rohde an Overbeck (nach Nietzsches Zusammenbruch): "Eine unbeschreibliche Atmosphäre der Fremdheit
umgab ihn.
Als käme er aus einem Land, in dem sonst niemand wohnt."
in Leipzig
bestätigt.
Nicht weniger aufschlussreich ist
Nietzsches Bericht
Nietzsche schreibt am 14. Juli 1886 - ebenfalls an Overbeck - gleich nach der Begegnung: "In dieser Universitätsluft
entarten die Besten: ich spüre fortwährend als Hintergrund und letzte Instanz, selbst bei solchen Naturen wie R[ohde] eine
verfluchte allgemeine Wurschtigkeit und den vollkommenen Mangel an Glauben zu ihrer Sache. Dafür, dass einer (wie ich)
diu noctuque incubando
von frühester Jugend an zwischen Problemen lebt und da allein seine Not und Glück hat, wer hätte dafür ein Mitgefühl!
R. Wagner, wie gesagt, hatte es" (Quellen: Die fröhliche Wissenschaft, 363; Kritische Studienausgabe 3, 611f)
von dieser Begegnung.